Die Prinzessin und die Hexen

Realitätsbewältigung

Das Mädchen war erschöpft und fiel zurück zum Boden. Für einen Moment genoss es die kalte Umarmung des pulvrigen weißen Schnees. Dann fiel es in Schlaf.

Als es aufwachte sah es: während sie schlief hatte es angefangen zu schneien. Zitternd stieg es wieder auf und blickte um sich herum. Plötzlich hörte es eine Stimme aus dem verschneiten Wald sagen: „Hab keine Angst!“ Überrascht drehte das Mädchen sich um. „Wir kommen heran!“ Soweit das Mädchen sehen konnte gab es überallhin nichts als Schnee, bis von hinter ihrem Rücken griff das Mädchen fünf knochendürre Finger.

„Du armes Kind!“ schrie eine alte Frau. Eine Jüngere, deren Antlitz das Mädchen nicht sehen konnte, hüllte es in einen braunen Pelzmantel ein. Er wäre ebenso gut wie die wärmste Decke der Welt.

Das Nächste was das Mädchen empfand, war die Stimme der älteren Frau: „Woher kommen diese Kinder, halbnackt mitten im Wald!“ Es war dunkel. „Ich hab doch mein Kopftuch“, murmelte das Mädchen, noch nicht ganz wach. „Allerdings, aber dein Kopftuch nutzt nichts hier“, antwortete die jüngere Frau.

Sie bewachten einen brodelnden Kessel in der Ecke von was schien eine Höhle zu sein. „Wo bin ich?“ des Mädchens Stimme versagte als sie fragte. „Wer sind Sie?“ „Natürlich sind wir Hexen“, antwortete die Jüngere. „Es gibt keine Hexen im Reich! So hat’s mir der Wachmann gesagt“, wendete das Mädchen ein. Die Jüngere lachte. „Aber trotzdem ist es so, dass wir dich gerettet haben – vor einem eisigen Tod“.

Das Mädchen hielt für einen Moment inne und dachte. „Guck mal“, flüsterte die jüngere Frau der Ältere zu, dann lauter: „Hast du keine Angst, Kind?“ Das Mädchen schwieg. Die Ältere sah dem Mädchen tief in die Augen. „Viel Schrecklicheres hat sie gesehen“, sagte sie ernsthaft.

Endlich fragte das Mädchen: „Wofür wohnen Sie denn in so eine furchtbare Höhle? Weil Sie Hexen sind?“ Die beiden lächelten. „Hexen sind wir, aber Hexen sind auch Menschen, oder?“ sagte die Jüngere. „Wir wohnen lieber in Häuser, gleich wie du“.

Dann die Ältere: „Früher wohnten wir in eine kleine Hütte im Wald, wie wir Hexen seit Jahrtausenden gemacht haben. Dann eines Tages – es ist schon lange her – kam ein Drache und brannte den ganzen Wald nieder, samt unsrer Hütte. Seitdem wohnen wir in dieser Höhle, auf der anderen Seite des Berges, wo wir uns jeden Tag den schwarzen Aschenfeld unsrer Heimat nicht anschauen müssen“.

Während sie sprach blickte sie stets tief in des Mädchens Augen. Sie nickte den Kopf. „Du weißt schon, wovon ich spreche“. „Ich weiß nicht wo ich bin, nur dass ich im Reich bin, noch wohin ich gehen sollte, nur dass ich den Weg nach Hause nicht weiß“, sagte das Mädchen.

„Ich habe dein Kopftuch oftmals gesehen, jedoch niemals in dieser Gegend“, sagte die jüngere Frau. „Das Gewebe erkenne ich auch“, stimmte die Ältere zu. „Du bist weit weg von deiner Heimat“. Einen Moment lang dachte sie, dann fragte: „Wie würde es dir gefallen, dein Zuhause nochmals zu sehen?“

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