Einen Abschied nehmen

von Ferdindand Maximilian

Ich will nicht nach Hause, aber ich kann es auch nicht mehr aushalten, hier zu bleiben. Es ist soweit. Ungeduld wächst in mir wie eine Pest und ich kann es nicht bekämpfen. Die Koffer sind schon gepackt; ich bin wieder Reisender geworden, nicht mehr ein Bewohner dieser Stadt. Vor dem Fenster sitze ich und starre mit verschwommenen Augen hinaus.

Es ist noch nicht soweit. Ein paar Tage habe ich noch. Aber diese Tage, diese letzten schönen Tage, werden es bloß schwieriger machen, Tschüß zu dieser Stadt zu sagen. Der Zauber ist sowieso schon entflohen und sie scheint mir nicht so wie vor nur wenigen Tagen. Plötzlich grau und unfreundlich, sie scheucht mich weg. Trotzdem will ich nicht Tschüssi, Ciao, Lebewohl, Servus, Auf Wiedersehen sagen.

Sie wiedersehen – das werde ich tun, unbedingt, aber die Worte klingen hohl und unbefriedigend. Ich bin ein Passagier auf dem Schiff der Zukunft; ich stehe auf dem Bug und kann nicht durch den umhüllenden Nebel sehen, wohin es mich führt. Werde ich sie wiedersehen? Sie wird anders sein als sie jetzt ist, genauso wie ich. Dieses Schiff, ein Eisbrecher der Vergangenheit, lässt seine gewaltigen Spuren hinter sich in den Nachstrom fallen und vom Propeller der Zeit werden sie langsam entstellt. Nur Hoffnung belebt mein tristes Herz, das sich nicht entscheiden kann, ob es sich nach der Heimkehr sehnt oder davor schreckt.

Ich stehe jäh vom Stuhl vorm Fenster auf, von einer Ruhelosigkeit überwältigt. Ratlos blicke ich mich um, nach Trost suchend. Ich soll das aber schon wissen, dass nichts, was ich sehe, mich trösten wird.

Ich setzte mich langsam wieder hin und verschmelze mit meinen Gedanken. Mein Bewusstsein schwebt durch mein Wesen, suchend nach und kämpfend um Erinnerungen. So viele Freunde sind schon weg; das macht es irgendwie leichter. Leichter aber nicht leicht. Das Leben geht weiter.

Aber wenigstens habe ich hier gelebt. Nicht zum letzten Mal! Ich wende mich vom Bug ab, der Wille in mich aufschwellend, und schreite davon mit Entschlossenheit. Ich alleine weiß, was ich tun muss. Um den Nebel vor meinem Schiff – ja, es gehört mir, ich bin der Kapitän – kümmere ich mich nicht mehr und ich stürme die Brücke. Warum habe ich das Schiffssteuerrad einem Matrosen überlassen? Bei meinem Eintritt in die Brücke steht der Matrose stramm und salutiert. Ich winke ihm ab und ergreife das Steuer. Ich ändere den Kurs nicht; ich lasse meine Hände bloß auf dem Steuerrad ruhen und grinse.

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