Winter – eine Vorstellung

von Ferdinand Maximilian

Kleine weiße Flecken fielen vom Himmel herab. In der kalten Luft torkelten sie zu Boden, sich Zeit nehmend. Es einen Sturm zu nennen wäre nicht richtig, denn die Schneeflocken waren einzeln und friedlich – man konnte ihr einsames Schweben durch die Luft ruhig genießen, jede ab von der Wolke bis zum Boden, wo sie sich niederlegten und nach einer Weile aufzuhäufen begannen.

Ich ließ einen Atemzug ausstießen und der Atem bildete eine kleine, vorübergehende Wolke. Die Flocken schienen mir, aus dieser Wolke zu quellen, als die ihren Weg gingen. Aber so schnell wie sie entstand, löste sich die Wolke auf. Der Haufen Schneeflocken auf der Erde schmelzte auch in den heiteren Strahlen der Sonne, obwohl nur ihre Glut hinter dem Grau des Nebels wahrnehmbar war. Das Laub quasselte und das Gras beugte sich leicht in der Brise, die über die städtische Landschaft wehte. Ich stand und fühlte deren Kälte auf meine Wangen.

Stille kehrte wieder ein. Wenn man sich hineinzulauschen bemüht, könnte man sich einbilden, dass man die Laute der Schneeflocken hörte. Nichts anderes bewegte sich; nicht einmal ich. Die kleinste Bewegung könnte diese Szene stören – zerstören – und die Ruhe wäre endgültig verloren. Die Sonne glomm durch eine Lücke in den Wolken auf. Als ich mich an die Wand lehnte, wuchs ihr roter Schimmer, um sich dann schnell wieder zu beruhigen. Vom blauen Himmel war nichts zu sehen.

Ich drehte mich ab von diesem Geschehnis und blickte durch das helle Fenster in die Kneipe, meine Freunde winkten mir zu, dass ich wieder reinkommen sollte. Ich warf meine Zigarette in einen am Tisch neben mir stehenden Aschenbecher und löschte damit den Schneesturm aus – es gab hier doch keinen richtigen Winter, man lässt sich nur ahnen davon. Eine letzte Sturmwolke zog sich über den Horizont, als ich den Rauch aus meinem Mund ausblies, und verschwand.

Ich kehrte zu meinem Bier und der Geselligkeit zurück, Sehnsucht in mir anschwellend.

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