Was würde Baudelaire über Berlin sagen?

Störung, Stadt, Gestaltung

Charles Baudelaire war kein Optimist. Er konnte die versteckte Anmut in Dreck sehen, ja, und sah oft Schönheit in der Stadt wo andere nur Schmutz erkannten. Seine Poesie verkostete Teile des Stadtlebens, die für die meisten einfach Schandflecken oder sogar Plagen waren. Er war vielleicht wahrer Urbanophil. Aber Optimist war er überhaupt nicht.

Seine komplizierte Beziehung zu seiner Stadt – Paris, natürlich – ist sichtbar. Er schreibt über sein Vergnügen von den Sünden und Extravaganzen, die die Stadt bietet, aber seine Verzweiflung der Ungleichheiten von Klassen, die dort vergrößert werden, ist gleichermaßen deutlich. In »les Yeux des Pauvres« teilt er seine Gefühle der Schuld und Hoffnungslosigkeit mit, als er im Café mit Essen und Trinken sitzt, während eine arme Familie staunend beobachtet. Auch während jener Jahre, in denen Baron Haussman die schöne Stadt Paris der breiten Alleen und streng geregelten Gebäudehöhen erbaute, war die Armut klar. Vielleicht war es desto vernichtender, weil der Reichtum jetzt so nah stand. So was passiert auch in Berlin. Obwohl die Arbeitslosigkeit (immer hoch in der Hauptstadt) sank, wuchs die Ungleichheit zwischen 2006 und 2012 zwischen den Berliner Bezirken, laut einem 2013 verfassten Bericht über Berliner Stadtentwicklung. Auslandsinvestitionen schnellen in die Hohe, aber dieser Reichtum hebt alle leider nicht.

Baudelaire war aber nicht nur sozial kritisch gegenüber Paris, auch nostalgisch. In »Le Cygne«, an Victor Hugo geschrieben, beklagt er den Verlust seiner vertrauten Stadt mit einer Anmerkung des modernen Lebens, die immer noch seine Bedeutung behält: »Le vieux Paris n’est plus (le forme d’une ville / Change plus vite, hélas! que le coeur d’un mortel)«. So was haben alle, die Berlin besucht haben, wahrscheinlich gehört. Das alte Berlin ist weg – jetzt wird es zerstört und neu gebaut. In der neuen Stadt fühlte sich Baudelaire wie ein Schwan ohne Wasser, ein Verbannter. Für ihn war diese Wandlung bedauerlich und endgültig. Vielleicht würde er auch so was über das wechselnde Berlin sagen. Aber nützlicher wäre vielleicht ein Funke des Optimismus, die uns überzeugen könnte, das sich niemand in der deutschen Hauptstadt wie eine Verbannte fühlen muss.

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