Zweite-Geige-Gefühl

von Ferdinand Maximilian

Irgendwann im Leben hat man das höchstunangenehme Gefühl, auf zweiter Stelle zu sein. In einem Club beschleicht mich dieses, als ich erkenne, dass der erste Geiger in der Gruppe vor mir steht. Den betrachte ich mit Neid; komisch, wie eine Ahnung von Macht alle gierig macht. Es ist nicht, dass man nicht der erste ist; vielmehr das plötzliche Einsehen dieser Tatsache ist es, was uns in unserer Selbstsicherheit stört. In den tiefen Abgründen des Gehirns lauert schon dieses Wissen, aber die Erkenntnis, zweite Geige zu spielen, erweckt in uns die Realität, das Gegenteil zu unserer liebevollen Erziehung, in der wir von unseren Eltern immer gelobt und eingeschärft werden, dass wir etwas Einzigartiges sind und alles werden können, was wir wollen. Die Wirklichkeit erwischt uns mit doller Rohheit. Aber dieses Zweite-Geige-Gefühl enthüllt auch keine Tatsache, sondern lässt eine weitere Illusion entstehen. Nämlich die, dass wir überhaupt zweite Geige spielen. Wieviel Glück muss man haben, um gar eine Geige, wenn auch die unwichtigste, in einem Orchester zu spielen? Die meisten von uns, wir sind Zuschauer, wir sind nicht einmal an der Führung unseres Lebens beteiligt. Nein, viel mehr steckt dahinter, als wir glauben.

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