Fahr mal wieder U-Bahn

Storung, Stadt, Gestaltung

»Fahr mal wieder U-Bahn
Tu dir mal was Gutes an«
Volker Ludwig, aus: Linie 1

1986 wurde die U-Bahn Linie 1 in dem Musical »Linie 1« von Volker Ludwig für Ewigkeit gehuldigt. Ihre geradlinige Nützlichkeit, die symbolische Reise durch die Stadt, die damals Westberlin war, die Absurdität entstehend von den Entgegnungen zwischen Menschen aus verschiedenen Lebenswelten: alle diesen Facetten einer Fahrt mit der U1 werden im Musical humorvoll zugewinkt. Es gibt einen Grund dafür, dass die Linie 1 durch dieses Schauspiel ewigen Ruhm geerntet hat, denn die Geschichten, die in der U1 entfalten, sind bekannt für alle, die mit der Bahn fahren. Die dauerhafte Relevanz des Stücks erweist sich dadurch, dass das Stück seit 1986 immer noch im selben Theater, dem Grips-Theater, spielt. Volker Ludwig hat Berlin eine wahre Erzählung von der Stadt selbst gegeben und trotz Wiedervereinigung und städtischen Wandels ist es klar, dass diese Erzählung noch mächtig ist.

Von Herrn Ludwig lernen wir, dass die Linie 1 nicht nur eine Weise für eine Reise von Punkt A nach Punkt B ist. Die ganze Geschichte spielt in der Bahn oder auf dem Gleis; sie wird selber zum Reiseziel. Für die Hauptfigurin, die neulich nach Berlin gekommen ist, ist die U1 ihr einziges Zuhause. Nur auf der Linie 1 kann sie Menschen kennen lernen und etwas über diese neue, unübersichtliche Stadt erfahren. Zwischen Kreuzberg, wo die Mauer stand, nach spießbürgerlichem Wilmersdorf und Charlottenburg lernt sie, wie die Stadtteilen Berlins zusammengebunden sind, und sieht ein Gemisch aus Menschen, von denen einige zu ihren Freunden werden. Das Ende ist vielleicht am aufschlussreichsten: das Mädchen, das neu in Berlin ist, findet neben Freundschaft neue Liebe auf der Bahn. Die U1 ist deswegen – wie alle öffentlichen Räume – ein Platz, wovon wir aufgefordert werden, verschiedene Lebenswelten der gleichen Stadt zu akzeptieren und zu schätzen. Städte ohne solche Räume sind davon in Gefahr, statisch zu werden. Linie 1 erinnert alle Stadtbewohner daran, jenseits der gelegentlichen seltsamen Situationen, die ihnen Städte anbieten, zuzuschauen und die unerwartete Schönheit der Menschen zu genießen.

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